Tagungsbeitrag
Henke, Thorsten:
Das Gandersheimer Gebetsgedenken und seine materielle Überlieferung
Das im Jahr 852 von den Liudolfingern gegründete Frauenstift Gandersheim war zum ersten, heute bekannten Memorialort der aufstrebenden Familie bestimmt. Der Stammvater Liudolf ist es auch, der bis zur Auflösung des Stiftes 1810 im Fokus des gemeinschaftlichen Gedenkens stand. Die Verbindung seiner Grablege mit dem für Laien zugänglichen Stephanusaltar im südlichen Querhaus der Stiftskirche manifestiert den weltlichen Herrschaftsanspruch des Stiftes durch ihren Fundator.
Außer für Herzog Heinrich den Zänker und der Stifterfamilie selbst, ist die Stiftskirche nicht mehr als Grablege für Laien außerhalb der Stiftsgemeinschaft genutzt worden. Einzig die Stiftsangehörigen, die Äbtissinnen und ihre Frauengemeinschaft sowie die Kanoniker des Stiftes ließen sich in der Kirche begraben.
Aus der über 900 Jahre währenden Geschichte als Begräbnisort, sind in der Gandersheimer Stiftskirche nur wenige Grabmäler, Epitaphien oder andere Objekte, die mit einem Gebetsgedenken verbunden werden können erhalten (Wulf 2011). Diese jedoch weisen ein breites Spektrum auf, dazu neben der prominenten Figur des Liudolf, Ende 13. Jh. (Hoernes 2006), verschiedenen Grabplatten, 14.-16. Jahrhundert eben auch Kapellen oder der fünfarmige Leuchter, den der Kanoniker Hermann von Dankelsheim vor 1430 stiftete.
Im Spiegel der schriftlichen Überlieferung, u.a. dem Registrum chori (Popp 2010) und dem Jüngeren Nekrolog (Popp/Henke) sowie der materiellen Überlieferung ergibt sich das Bild eines vielseitigen Gebetsgedenken in der Stiftskirche.
Der Fokus liegt überlieferungsbedingt auf dem Spätmittelalter. Dabei ist zu fragen, wer im Gandersheimer Gebetsgedenken vertreten war, gab es Sonderformen und wie wurde das Grab des Stifter oder die der Stifterfamilie einbezogen? Wie war das Verhältnis zwischen den einzelnen Gruppen des Stiftes und lassen sich gruppenspezifische Stiftungsformen erkennen? Zuletzt ist die Frage nach dem Einfluss der Braunschweiger Herzöge auf das Stift und das Gebetsgedenken im Spiegel der Machtübernahme des 13. Jahrhunderts und ihrer Festigung bis zum 15. Jahrhundert zu stellen.
Der Vortrag soll die angesprochenen Fragestellungen anhand des überlieferten Bestandes in den Blick nehmen.
Thorsten Henke M.A., Portal zur Geschichte. Sammlung Frauenstift Gandersheim