Tagungsbeitrag
Vogt, Caroline:
Die Gewänder Thomas Beckets im Schatz der Kathedrale zu Sens
Der Schatz der Kathedrale zu Sens verwahrt einen goldgestickten Ornat, der Thomas Becket, dem Erzbischof von Canterbury und damit Primas der englischen Kirche, zugeschrieben wird.
Thomas Becket floh 1164 vor dem englischen König Heinrich II. nach Sens in den Herrschaftsbereich der französischen Krone, wo er bis 1170 blieb. Kurz nach seiner Rückkehr nach England wurde er von vier königstreuen Rittern am 29. Dezember 1170 in der Kathedrale von Canterbury getötet.
Die Verehrung des Ermordeten als Märtyrer setzte unmittelbar danach ein und bereits 1173 erfolgte seine Heiligsprechung. Entsprechend groß war die Bedeutung und Wertschätzung, die den Gewändern des Heiligen oder Fragmenten davon an verschiedenen Orten Europas zukam, so auch jenen in Sens. Mehrere Inventare der dortigen Kathedrale nennen den Ornat des illustren Exilanten, der seiner Herkunft, Qualität und Vollständigkeit wegen ein bedeutendes Ensemble hochmittelalterlicher liturgischer Kleidung darstellt.
Obwohl Altertumsforscher dem Ornat seit der Mitte des 19. Jahrhunderts einige Publizität zukommen ließen, sind die Textilien bisher wenig erforscht. Ausgehend vom materiellen Befund werden sie im Zusammenhang liturgischer Gewänder und des bischöflichen Anspruchs nach Repräsentation im 12. Jahrhundert diskutiert. Dabei kann die Kasel Bischofs Bernhards I. im Dom-Museum Hildesheim als direktes Vergleichsstück zu Thomas Beckets Kasel in Sens in die Überlegungen miteinbezogen werden.
Caroline Vogt studierte Texilkonservierung/-restaurierung an der Abegg-Stiftung – Berner Fachhochschule (BFH) und Kunstgeschichte, Mittelalterarchäologie und Hebräische Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Zürich. Sie ist als Textilkonservatorin/-restauratorin und Leiterin des Studiengangs Textilkonservierung/-restaurierung an der Abegg-Stiftung tätig und arbeitet daneben an einer Dissertation zu gestickten Mitren mit Martyriumsszenen und goldgestickten Bischofsgewändern des Hohen Mittelalters an der Universität Zürich.