Tagungsbeitrag

Ebenhöch, Romina:

Anhänger in Buchform: Ein Phänomen des Spätmittelalters?

Anhänger in Buchform bilden eine Objektgruppe, die bis dato noch kaum erforscht wurde, die jedoch in ihrer Stellung zwischen Schmuckobjekt und symbolischen Buch geradezu prädestiniert ist, um dem Wunsch der Sektion nach einer stärkeren Vernetzung von Forschungen am Material und kunst- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen nachzukommen.
Schon mit dem Aufkommen des Kodex sollen buchförmige Anhänger überliefert sein: Die von Köster (1979) aufgeführten 5 Anhänger aus dem 6. – 8. Jh. gilt es daher auf ihre Buchform hin zu befragen. Nicht nur ist ihre Buchform bisher nicht verifiziert, vielmehr erstaunt die Tatsache, dass deutlich als Bücher ansprechbare Anhänger erst am Ende des 15. Jh. auftreten und sich gerade im 16. Jh. gesteigerter Beliebtheit erfreuen.
Damit stehen sie in einer deutlichen Verbindung mit den Innovationen im Bereich des Buchdrucks und der Druckgraphik, in der sich die Materialität und Medialität zahlreicher Bücher verändert. Innerhalb dieses Zeitraums lassen sich die Buchanhänger in zwei Gruppen unterteilen: So inszenieren sie die Buchform entweder als Behältnis (für Reliquien) oder aber als Andachtsmedium, indem sie auf silbervergoldeten Seiten Gravuren der Passion Christi oder Heiliger zeigen. An mehreren Stellen der Buchanhänger mit Seiten lassen sich Abriebspuren erkennen, die vom taktilen Umgang mit dem Medium und seinen Bildern zeugen. Gerade die buchförmigen Anhänger ohne Seiten stehen mit ihren häufig gravierten Außenseiten und ihren im Inneren aufbewahrten Reliquien an einer Schwelle zwischen Andachtsmedium und christlich-magischem Amulett.

Der Vortrag will aufmerksam machen auf eine Objektgruppe, die in ihrer hybriden Existenz zwischen Schmuck und Buch, Andachtsmedium und Amulett einen Beitrag zur Reliquiar- ebenso wie zur Andachtsforschung zu liefern vermag.


Romina Ebenhöch M.A., Studium der Kunstgeschichte und Klassischen Archäologie in Gießen (JLU) und Rom (La Sapienza, Studienabschluss 2014 mit einer Masterarbeit über „Schmuck und Andacht um 1500“.
Seit 2014 Stipendiatin der Graduiertenförderung der Justus-Liebig-Universität Gießen mit einem Dissertationsprojekt zum Thema: „‘Bücher tragen‘: Miniaturbuchanhänger des 15. und 16. Jahrhunderts. Zur Hybridität eines Mediums als Pretiose, Buch, Miniatur und Mittel der Andacht“.