Tagungsbeitrag
Jakobs, Dörthe:
Truthahn und Phönix in der mittelalterlichen Wandmalerei. Der Beitrag restauratorischer Untersuchungen für die Kunstgeschichte
Auch lange nachdem der Truthahn durch die „Fälschungen“ der frühgotischen Wandmalereien von Lothar Malskat im Dom zu Schleswig (1937) Berühmtheit erlangte, gab es immer wieder Kunst-werke, die - wie das Sinnbild jenes mystischen Vogels Phönix - aus ihrer Asche wieder neu erstan-den sind. Der Beitrag zu diesem provokanten Thema befasst sich mit der Feststellung, dass restaura-torische und naturwissenschaftliche Untersuchungen heute (eigentlich) nicht mehr aus der Kunstge-schichte wegzudenken sind. Anhand von Wandmalereien verschiedener Zeitstellungen (Reichenau St. Georg, Goldbach Sylves-terkapelle, Stuttgart Veitskapelle u.a.) wird dargelegt, welchen Erkenntnisgewinn wissenschaftlich vorbereitete Restaurierungen dank der heute zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden bringen können. Neben fotografischen Verfahren zur Untersuchung von Wandmalereien (z. B. UV-Fluoreszenz) und zur Differenzierung von Original und Ergänzung bieten Schichtenuntersuchungen und Materialanalysen wertvolle Hinweise zum historischen Bestand, zu Veränderungen und zu ver-schiedenen Restaurierungsphasen. Zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden (z.B. Röntgenfluores-zenzanalyse) ermöglichen die quantitative Bestimmung der Elementzusammensetzung und somit der Identifizierung von Pigmenten, was insbesondere bei farblichen Veränderungen entscheidend für die kunsthistorische Wertung sein kann. Wie wichtig die Analyse von Erhaltungszuständen und die Zuordnung von Ausmalungsphasen für die ikonografische Interpretation ist, wird in dem Beitrag ebenfalls beispielhaft dargelegt. Der Beitrag versteht sich als ein Baustein in der so wichtigen und stetig zu verbessernden Kommu-nikation zwischen Kunsthistorikern und Restauratoren.
Dr. Dipl.-Rest. Dörthe Jakobs M.A., Kunsthistorikerin und Restauratorin.
Studium Kunstgeschichte, Mittlere und Neuere Geschichte, Klassische Archäologie an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, Studiengang “Konservierung und Restaurierung von Wandmalereien und gefassten Architekturoberflächen” an der Hochschule für Bildende Künste, Dresden. Seit 1993 am Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Publikationen über Restaurierungstheorie, Restaurierung und Zeitgeschmack, St. Georg in Reichenau-Oberzell, methodische Aspekte der Restaurierung, Bauphysik / Klimastabilsierung, Wandmalereien in städtischen Bürgerhäusern, Restaurierungskonzepte, Einzelprojekte in Baden-Württemberg und im Ausland. Beteiligung an zahlreichen Forschungsprojekten im In- und Ausland. Mitglied von ICOMOS.