Conference paper
Hommers, Jeannet:
Zwischen menschlicher Willensfreiheit und göttlicher Gnade. Der heilige Lazarus und die Bischöfe von Autun
Im Zentrum des Vortrags steht die Kirche Saint-Lazare in Autun, die Bischof Étienne de Bâgé (1112–1136) zu Beginn des 12. Jahrhunderts für die Reliquien des Lazarus von Bethanien errichten ließ. Als Werk des vermeintlichen Bildhauers Gislebertus, den man in der Inschrift „GISLEBERTUS HOC FECIT“ am Westportal zu erkennen glaubte, wurde die Kirche vielfach untersucht. Weniger dagegen wurde die Frage gestellt, inwiefern das Bildprogramm der eigens für die Reliquien des Lazarus erbauten Kirche auch der Selbstdarstellung und -legitimierung der Bischöfe und der Kleriker von Autun diente.
Ausgangspunkt des Vortrags sind die außergewöhnliche Konzeption des Westportals sowie das begehbare Lazarusgrab, das bis zu seinem Abriss im 18. Jahrhundert im Chor der Kirche stand und in dessen Inneren die Erweckung des Lazarus durch Christus mit beinahe lebensgroßen Skulpturen reinszeniert wurde. Sowohl die einzigartige Ikonographie des Westportals als auch die besondere Form der Inszenierung im Chor lässt sich, so die These, vor allem mit dem Interesse des bischöflichen Auftraggebers bzw. seiner Nachfolger begründen: Indem man etwa die Auferweckung des Lazarus sowie die Wirkstätte Christi nach Autun verlagerte, wurde die Verheißung auf Erlösung und Auferstehung zum Leben zur Aufgabe der Kleriker von Autun. Neben dieser individuellen Inszenierung der Bischöfe von Autun soll überdies versucht werden, daraus auch allgemeingültigere Aussagen zur Rolle des Bischofs im 12. Jahrhundert und über Strukturen bischöflicher Herrschaftsgewalt abzuleiten.
Dr. Jeannet Hommers, Studium der Kunstgeschichte, Neueren Deutschen Literatur und Skandinavistik in Münster, Århus (Dänemark) und Bochum; 2006 Magisterabschluss an der Ruhr-Universität Bochum; 2012 Annahme der Dissertation an der Universität Potsdam („Gehen und Sehen in Saint-Lazare in Autun. Bewegung – Betrachtung – Reliquienverehrung“, Köln, Wien und Weimar 2015); 2007–2013 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg; 2013/2014 Forschungsauftrag der Isa Lohmann-Siems Stiftung mit einem Projekt zur Beweiskraft von Architektur und ihren Bildwerken im Rahmen mittelalterlicher Reliquienverehrung; seit 04/2014 Wissenschaftliche Assistentin am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln
Weitere Informationen mit Publikationsliste unter:
http://khi.phil-fak.uni-koeln.de/21552.html?&L=0