Conference paper

Kohwagner-Nikolai, Tanja:

Bischöfe, Äbte, Lämmer – epigraphische Überlegungen zu einem textilen Dilemma: das Bamberger und das Regensburger Rationale.

Das Bamberger Rationale wird aufgrund stilistischer Vergleiche zur Buchmalerei und der Darstellung des Hl. Dionysius als Regensburger Arbeit angesehen. Die Auffindung der Dionysiusreliquien 1049 gilt als terminus post quem. Doch war der Festtag des Heiligen bereits vorher in Bamberg von Bedeutung. Das komplexe Bildprogramm in Goldstickerei kann mithilfe der Beischriften entschlüsselt werden. Die Texte entsprechen Bibelzitaten oder greifen antiphonale Gesänge auf. Das Programm in die ekklesiologische Tendenz in Bamberg zur Zeit Heinrichs II., wie sie auch in Bamberger Handschriften zu beobachten ist. Dies stärkt ebenso wie der Buchstabenbefund eine Frühdatierung. So war das Rationale vermutlich schon für den ersten Bamberger Bischof Eberhard I. (1007-1040) angefertigt worden und konnte im Gegensatz zum allein den Bischöfen vorbehaltenen Pallium an bestimmten Tagen auch von dem im Dom zelebrierenden Geistlichen getragen werden.

Anders in Regensburg: das dortige Rationale, das zwar das Bamberger Rationale zum Vorbild hat, aber dennoch in vielen Details abweicht und teils vereinfachte, teils differierende Inschriften aufweist, war den Bischöfen vorbehalten, wovon in Regensburg einige Grabdenkmäler zeugen. Als Bindeglied wird zwischen den beiden Textilien eine Bamberger Federzeichnung von der Rückseite des Bamberger Rationales angesehen. Einige Beobachtungen legen nahe, dass die Regensburger Kopie jedoch vor der Nachzeichnung angefertigt worden ist. Damit stellt sich die Frage nach dem Zweck dieser Nachzeichnung, die zusammen mit der Regensburger Kopie Hinweise liefern kann, inwieweit es 1454-1456 bei der Übertragung der einzelnen Stickereielemente des Bamberger Rationales auf einen neuen Träger zu Veränderungen innerhalb des Programms gekommen ist.


Dr. Tanja Kohwagner-Nikolai, 1995 - 2000 Studium der Kunstgeschichte, zeitweise als Doppelstudium mit Geschichtlichen Hilfswissenschaften, mit den weiteren Nebenfächern Frühchristliche und Byzantinische Kunstgeschichte, Bayerische Landesgeschichte, Klassische Archäologie, Byzantinistik sowie Alte Kirchengeschichte an der LMU München und der Universität Augsburg, 2001 Magister artium an der Universität Augsburg, 2001 - 2004 Promotionsstudium an der FAU Erlangen-Nürnberg, 2002 - 2005 Promotionsstipendium der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk, 2005 Disputatio an der FAU Erlangen-Nürnberg, 2005 - 2007 Länderstipendium des Freistaates Bayern am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, Werner-Hauger-Preis 2006, 2008 Forschungsstipendium am Zentralinstitut für Kunstgeschichte, 2008 - 2010 wissenschaftliche Volontärin in der Museumsabteilung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, 2010 - 2012 freiberufliche Kunsthistorikerin, wissenschaftl. Autorin und Museumspädagogin, seit April 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kommission zur Herausgabe der deutschen Inschriften des Mittelalters und der frühen Neuzeit an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Bereich Textilien), ab Oktober 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der OFU Bamberg im DFG-Projekt „Kaisergewänder im Wandel - Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung“.